Die Rolle des autonomen Nervensystems bei frühkindlicher Traumatisierung:

Frühkindliche Traumata können langfristige Auswirkungen auf das körperliche, emotionale und geistige Wohlbefinden eines Kindes haben. Das autonome Nervensystem spielt dabei eine wichtige Rolle.

Was ist das vegetative oder auch autonome Nervensystem?

Das autonome Nervensystem ist ein Teil des Nervensystems, das für viele automatische Körperfunktionen wie Herzschlag, Blutdruck, Atmung und Verdauung verantwortlich ist. Es besteht aus zwei Teilen: dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem.

Wie reagiert das autonome Nervensystem auf ein Trauma?

Bei einem traumatischen Erlebnis aktiviert das autonome Nervensystem den Kampf-oder-Flucht-Reflex, der den Sympathikus aktiviert. Dies kann zu körperlichen Reaktionen wie erhöhter Herzfrequenz, erhöhtem Blutdruck und erhöhter Atemfrequenz führen.

Traumatische Erfahrungen können tiefgreifende Auswirkungen auf das Nervensystem haben. Wenn unser Körper und unser Gehirn eine Bedrohung wahrnehmen, reagieren sie mit dem sogenannten "Fight or Flight"-Reflex. Dies ist eine natürliche Reaktion auf Stress, die uns dazu bringt, entweder zu kämpfen oder wegzulaufen.

Bei manchen Menschen bleibt dieser Reflex aktiviert, auch wenn die Bedrohung längst vorbei ist.

Der Kopf weiß, dass die Bedrohung vorbei ist, der Körper weiß es (noch) nicht.

Dies kann zu einer chronischen Stressreaktion führen, die das Nervensystem dauerhaft überlastet und dauerhafte Schäden verursacht. Es kann ebenfalls zu körperlichen und emotionalen Symptomen führen, wie Schlafstörungen, Angstzuständen, Depressionen und körperlichen Beschwerden.

Ebenfalls kann es zu einer Erstarrungsreaktion (Freeze) kommen, dies ist ebenfalls ein Teil unseres parasympatischen Nervensystems und wird dann aktiviert, wenn der Kampf oder Fluchtmodus versagt bzw. keine Bewältigung für das Ereignis darstellt. Unser Körper versucht, sich selbst zu schützen, indem er jede Bewegung einstellt, um uns unsichtbar zu machen. Die Energie, die eigentlich durch den Körper bereitgestellt wurde, bleibt dann im Nervensystem “gespeichert” und wird nicht abgebaut und verursacht in Folge dann Symptome wie oben beschrieben.

Eine Traumareaktion kann sich auch in Fawn (Unterwerfung) zeigen. Ein ständiges freundlich-sein-Müssen, Lächeln ist häufig eine Unterwerfungsgeste die zeigt: Tue mir nichts. Ich bin nicht gefährlich. Lächeln ist ja eigentlich etwas positives und zugewandtes, aber wenn sie zum Zwang wird, wenn man lächelt, obwohl man die Person nicht mag, die Situation als unwohl empfunden wird, gar nicht lächeln möchte, dann kann sie eine erlernte Traumareaktion sein. Dies kann sich ebenfalls äußern in dem Bedürfnis anderen gefallen zu wollen, sich für Dinge zu entschuldigen zu wollen, für die du nichts kannst.

Aber auch an der Körperhaltung und der Reaktion erkennt man den Fawn-Response. Z.b durch Schräghalten des Kopfes, dies symbolisiert das Zeigen des Halsschlagader und signalisiert dem Anderen “Ich zeige mich angreifbar, du musst mich nicht angreifen” oder das Absenken des Blickes.

Symptome von (Schock-)Trauma

Die Symptome von Trauma können vielfältig sein und reichen von körperlichen Beschwerden wie Schlafstörungen und Kopfschmerzen bis hin zu emotionalen Problemen wie Angstzuständen und Depressionen.

Einige der häufigsten Symptome von Trauma sind:

  • Flashbacks: plötzliche, lebhafte Rückblicke auf das traumatische Ereignis

  • Schlafstörungen: Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen

  • Ängste: starke Angstzustände, insbesondere in Situationen, die an das Trauma erinnern

  • Depressionen: Niedergeschlagenheit und Verlust des Interesses an Aktivitäten, die früher Freude bereitet haben

  • Körperliche Beschwerden: Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Herzklopfen

  • Vermeidungsverhalten

  • vegetative Übererregbarkeit/Hyperarrousel, Reizbarkeit, Stimmungswechsel, Schreckhaftigkeit

  • Dissoziation

Erlebnisse, die im Nervensystem Traumaspuren hinterlassen, können zu Bindungsverletzungen führen. Dies kann beispielsweise sein:

  • wenn Bezugspersonen nicht adäquat auf die Bedürfnisse von Kindern reagieren oder wenn emotionale oder körperliche Vernachlässigung stattfindet. Wenn das Kind nicht ausreichend Zuwendung und Schutz erhält.

  • häufige Trennungen: Wenn ein Kind häufig von seinen primären Bezugspersonen getrennt wird (z.B abrupter Übergang in den Kindergarten, Schule), kann dies dazu führen, dass das Kind sich unsicher und ängstlich fühlt und später Schwierigkeiten in Beziehungen hat. Aber auch die Trennung der Eltern oder Verluste von nahen Angehörigen können im späteren Verlauf zu Bindungs- und Kontaktschwierigkeiten führen

  • Bezugspersonen die dauerhaft Stress empfinden, der sich auf die Kinder überträgt und dadurch zur Dysregulation des Nervensystems führt. Dies kann sowohl vorgeburtlich, als auch während der Kindheit der Fall sein.

  • fehlende Co-Regulation durch die Bezugspersonen, bei Überforderung beispielsweise

  • wenn die Bezugspersonen beispielsweise unter Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen litten und die Gefühlszustände nicht adäquat spiegeln konnten. So können die Kinder nicht lernen, Gefühle zuzuordnen und zu benennen. Dies kann sich später auf die verminderte Fähigkeit Auswirkungen die eigenen Gefühle und damit auch die eigenen Grenzen zu spüren, und in Folge auch die Grenzen Anderer nicht wahrnehmen zu können, auswirken

  • unzureichende oder fehlende emotionale Nähe und emotionale Verfügbarkeit der Bezugspersonen, wenn Eltern beispielsweise nicht in Kontakt mit sich sind

  • Kinder, die sexuell, körperlich oder emotional missbraucht werden

  • wenn die Kinder sich für die Bezugspersonen verantwortlich fühlen, weil diese keine Eigenverantwortung übernehmen und hilfsbedürftig sind (Parentifizierung)

  • Situationen, in denen das Kind sich verlassen gefühlt hat (z.B. Nachts alleine aufgewacht) oder tatsächlich oft und viel alleine war, sich viel in seine “Innenwelt” zurückgezogen hat

  • das Kind nur geliebt wird, wenn es seine Wut unterdrückt (z.B. weil alternativ Konsequenzen wie Liebesentzug, Bestrafung oder Ignorieren drohten)

  • wenige Erfahrungen von Sicherheit, Kontinuität und Zuwendung

  • wenig echten Kontakt und Körperkontakt in der Kindheit

  • Zuwendung der Bezugspersonen war inkonsistent, wechselhaft, nicht vorhersehbar oder ambivalent. Dies führt in Folge dann sehr häufig zu einem ambivalenten/anhänglichen Bindungsstil oder auch zu tiefgreifenden Bindungsstörungen und zeigt sich im weiteren Verlauf dann in unbeständigen, sehr gefühlsintensiven Partnerschaften, die häufig nicht beständig sind (Kontaktabbrüche)

  • emotionaler und verbaler Missbrauch, z.B. durch ständiges Beschämt-Werden (in Bezug auf den Körper, das Aussehen, die Intelligenz, die Person als Ganzes). Kinder sind nicht! in der Lage dies zu differenzieren, es wird somit Teil des Erlebnisinneren. Introjekte bilden sich aus, die höchst dysfunktional und häufig schädlich sind

  • Kritik oder auch Bestrafung durch Ignoriert-Werden

  • häufige Umzüge, die immer wieder mit einem Verlust der Freunde und des sozialen Umfeldes einhergehen

  • Instabile Familienumstände: Kinder, die in Familien aufgewachsen sind, die von Konflikten, Trennungen oder anderen instabilen Umständen geprägt sind

  • Mobbingerfahrungen in der Kindheit oder Jugend. Ein Ausschluss aus der Gemeinschaft oder Peer Group, stellt immer eine gefühlte! lebensbedrohliche Gefahr dar, indem mehrere Grundbedürfnisse auf einmal mit einer emotionalen Wucht frustriert werden

  • unterdrückte Emotionen und unterschwellige, unausgesprochene Konflikte

  • wenn Konflikte in der Familie nicht geklärt oder totgeschwiegen werden, interpretiert das Kind Konflikte als (Lebens-)gefahr

  • chronischer Stress und Unsicherheit, z.B. bezüglich des Jobs, der Partnerschaft, der Freundschaften

  • Krankenhausaufenthalte oder Pflegefamilien: Kinder, die längere Zeit im Krankenhaus oder in Pflegefamilien leben mussten

  • frühe Trennungen der Kinder von den Bezugspersonen nach der Geburt

  • andauernde stressaktivierende Umgebungsfaktoren wie Lärm, Geschrei, Naturkatastrophen o.ä.

  • Reaktion der Bezugspersonen auf Erlebnisse, die für das Kind “emotional" aufgeladen" sind, wie beispielsweise Streit, Konflikte mit anderen Kindern. Auch traumatische Erfahrungen können Traumafolgen hinterlassen aufgrund des fehlenden emotionalen einfühlsamen Auffangen und Reagieren durch die Bezugsperson.

  • Die Traumatisierung liegt dann nicht im Ereignis, sondern an der fehlenden emotionalen Unterstützung und des fehlenden Bezeugens und der Würdigung des Traumas

  • Insbesondere gilt dies bei sexualisierter und körperlicher Gewalt. Die Reaktion der Bezugsperson stellt dann die sekundäre Traumatisierung dar.

Dies kann langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen, einschließlich kardiovaskulärer Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, körperlichen Symptomen ohne organischen Befund und Traumafolgestörungen.

Je häufiger, intensiver, langandauernder, früher und vielfältiger diese Situationen und Lebensumstände eingetroffen sind, desto ausgeprägter und struktureller ist die Symptomausprägung.

Bei schweren Verläufen, erhöhter Vulnerabilität und Intensität und wiederholten dysfunktionalen Umgebungssituationen können auch psychische Störungen wie die Borderline Persönlichkeitsstörung, die komplexe PTBS (ICD-11) oder auch die dissoziative Identitätsstörung (DIS) auftreten.


Wie lässt sich das autonome Nervensystem regulieren?

Um das autonome Nervensystem nach frühkindlichen Traumata zu regulieren, kann es hilfreich sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Therapieformen wie NARM, somatic experiencing, traumafocussierte Verhaltenstherapie, körperorientierte Therapiemethoden, EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) oder EFT (Emotional-Freedom-Technique) können helfen, das autonome Nervensystem zu regulieren und den "Fight-or-Flight or Freeze"-Zustand zu beruhigen.

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Mehr über EFT erfahren.

Ergänzt werden kann dies durch einen gesunden Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung, ausreichend Schlaf, Entspannungsmethoden, Yoga und gesunder Ernährung. Dies kann dazu beitragen, das autonome Nervensystem ins Gleichgewicht zu bringen und Stress abzubauen.

Es ist wichtig zu wissen, dass du nicht allein bist und dass es Hoffnung gibt. Suche frühzeitig professionelle Hilfe von einem Psychotherapeuten oder Trauma-Coach, informiere dich über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und achte auf dich selbst, um die besten Chancen auf Heilung und Genesung zu haben. Du bist nicht allein!

Deine Stefanie Zimmer - körperorientierte Psycho- und Traumatherapie in Köln 🦋 🦋

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Was sind Traumafolgestörungen?